Donnerstag, 3. November 2016

Aus der Sicht des anderen oder der Spiegel


Dass das, was man an einem anderen Menschen am meisten nicht mag, bzw. Was einem am meisten stört, genau das ist, was einem an einem selber am meisten stört, das wusste ich schon.

Es war ein langer Prozess und auch ziemlich hartnäckig und anstrengend. Denn wenn man über seine Kollegin schimpft oder auch über seinen Mann. Und sich dann mal überlegt, was man denen immer so insgeheim vorwürft, da wird einem schon klar, wenn mal ganz ehrlich zu sich selber ist, dass es genau das ist, was einem an einem selber stört. Es ist so, als würde man sich immer selber einen Spiegel vorhalten.

Viele meiner jetzigen Freundinnen konnte ich am Anfang nicht leiden. Aber letztlich waren wir uns immer ähnlicher als ich befürchtet habe. Und letztlich war genau, das, was ich ihnen immer vorgeworfen habe, genau das, was uns letztendlich zusammengebracht hat. Zu einer Freundin sagte ich mal: "ich bin lieber mit dir befreundet, als mit dir zusammenzuarbeiten." Und da ist was wahres dran. Wir sind uns vom Arbeitsstil zu ähnlich und würden uns somit immer wieder in die Quere kommen. Ich warf ihr am Anfang Dominanz und Besserwisserei (ja, auch Klugscheißerei vor) und natürlich Kontrollwahn und dass man alles und jedes kommentieren muss. Aber letztlich sind das genau meine Eigenschaften, die mich ausmachen.

Wenn ihr euch also das nächste Mal über jemanden aufregt, bedenkt vielleicht dabei, dass ihr euch eigentlich über euch selber aufregt *grins*

Ich sehe das immer sehr schön an meinen Kindern. Der Große "erzieht" jetzt mit seinen 4,5 Jahren unseren Kleinen mit 2 Jahren. Die ganzen Erziehungssprüche hat er natürlich von uns. Und wenn er also mit dem Kleinen spricht, erkennen wir unsere Erziehungsmethoden und hören Sätze wie "aber das darfst du nicht.", "man muss aber Hände waschen." Und "hauen tut man nicht" und "tun tut man auch nicht". Das ist manchmal echt gruselig und hält einem echt einen Spiegel vor. "Das musst du jetzt so und so tun. Verstanden?!"

Äh, okay, wir werden demnächst unsere Erziehungsmethoden also überdenken.

"Unsere Fehler stören uns am meisten, wenn wir sie an anderen bemerken."

Und Achtung, jetzt kommt ein neuer Aspekt hinzu. Denn neulich las ich, dass auch das was man an anderen am meisten bewundert oder toll findet, eigentlich auch genau eine Eigenschaft ist, die man selbst besitzt. Also quasi auch ein Spiegel nur im positiven Sinne.

Diesen Aspekt fand ich im ersten Schritt sehr suspekt. Ich finde z.B. An meinem Mann toll, dass er immer so gelassen ist und mit dem zufrieden ist, was er hat. Und ich soll jetzt auch gelassen sein oder gar zufrieden? Oder ich finde an meiner Kollegin toll, dass sie immer so eine gute Laune verbreitet. Oder an meiner einen Freundin, dass sie alleinerziehende tolle Mama von 3 Kindern ist und trotzdem Vollzeit arbeitet.

Aber je länger ich darüber nachdenke, was ich an anderen so toll finde, umso mehr Sachen oder Dinge fallen mir ein, die wirklich auf mich zu treffen. Nicht weil ich es so denke, nein, soweit bin ich noch nicht, aber weil es mir andere Leute schon mal so gesagt haben.

Genau dass ich eben immer gelassen "erscheine" (und ich glaube, darauf kommt es auch an, nicht wie es in mir drinnen aussieht, sondern wie es nach außen wirkt) und wohl auch eine positive Ausstrahlung habe. Wäre ich nie im Leben allein darauf gekommen. Und letztens sagte eine Bekannte zu mir, als ich sagte dass es der alleinerziehenden Vollzeitmami gut ginge, da sie ja eine echte Powerfrau wäre, antwortete die Bekannte: "ja, du weißt ja selbst wie das ist, du bist ja auch eine." Ich wusste wirklich nicht, was sie meinte und es ratterte nur langsam in meinem Kopf, denn ich würde mich nie selbst als Powerfrau sehen.

Selbstbild und Fremdbild gehen hier also weit auseinander. Immer noch. Aber ich arbeite dran und möchte mit den Worten von Virginia Satir schließen:

"Ich bin es mir wert, genauso wie ich bin, angenommen und geliebt zu werden, hier und jetzt. Ich bringe mir Liebe entgegen und nehme mich an, ich beschließe, von heute an ganz zu leben."

Und das ehrlich mir selbst gegenüber und meinen Gedanken. Und immer mit der Überlegung im Kopf, wenn ich mich über andere aufrege, dann rege ich mich eigentlich über mich auf und das was ich an anderen toll finde, ist ein Teil von mir.

In diesem Sinne, viel Spaß beim Nach- und Querdenken!



1 Kommentar:

  1. Wie wahr, wie wahr - ALLES! Nur ein kleiner "Nachsatz": Wir dürfen auch darüber nachdenken, inwieweit die Dinge, die wir nicht an uns mögen mit der Bewertung unserer Eltern zu tun haben! Z.B.: Du bist aber auch immer soooo ungeschickt, sooo unordentlich, soooo faul, soooooooo..............
    Gilt vermutlich auch für das GUTE :-)?! Muss ich mal beobachten.

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