Donnerstag, 13. Oktober 2016

Freundschaften, Bahnhöfe und Endstationen



Auf Wunsch einer treuen Leserin geht es heute um Freundschaften. Und darum, warum Freundschaften und das Leben so ähnlich sind wie Zugfahren.

Ich bin ein Zug, mein Leben ist ein Zug. Mal ist es eine Regionalbahn, mal ein ICE, mal so ein superschneller Magnetschwebeexpresszug und mal ist es eine Bimmelbahn. Manchmal bin ich der Lokführer, mal der Schaffner, der die Fahrgäste kontrolliert ob sie überhaupt Fahrkarten haben und an meinem Leben teilhaben dürfen. Mal bin ich nur Fahrgast in meinem Zug des Lebens, manchmal auch nur blinder Passagier.

Mal fährt der Zug schnell, mal langsam, mal gar nicht. Manchmal ist er nämlich aus Versehen auf ein Abstellgleis gefahren und muss erst wieder rückwärts fahren, um in die richtige Richtung fahren zu können. Und da muss man warten und sich in Geduld üben.

Manchmal habe ich das Gefühl der Zug des Lebens fährt immer nur im Kreis, so dass ich die ganze Landschaft schon kenne. Ich meine dann jeden Baum, jeden Grashalm schon beim Schatten zu erkennen.

Manchmal ist es draußen arg neblig, so dass ich gar nichts sehen kann. Dann wiederum prasseln die Regentropfen ans Fenster. Manchmal blendet auch die Sonne und es ist auch total stickig im Zug, so dass man meint keine Luft mehr zu bekommen, da die Klimaanlagen mal wieder ausgefallen sind.

Manchmal sind mir die Abteile zu voll und ich möchte am Liebsten aussteigen, doch das geht nicht, denn es ist verboten. Man kann nicht einfach die Notbremse ziehen, das steht unter Strafe. Denn einen fahrenden Lebenszug kann man nicht einfach so anhalten. Und manchmal ist mir der Zug auch einfach zu leer.

Und manchmal kommt dann auch ein Bahnhof, ein neuer Lebensabschnitt. Der Zug hält an und neue Leute steigen ein, manchmal müssen auch Leute aussteigen. Meist ist das dann ein Abschied für immer, denn noch mal genau den gleichen Bahnhof gibt es nicht. Der Zug des Lebens hat keinen Fahrplan. Da kann man noch so schön planen, man weiß nie, wie das Wetter wird und ob nicht ein Baum aufs Gleis gestürzt ist. Oder ob es Personen auf den Gleisen gibt oder einen Oberleitungsschaden. Oder irgendeine andere Verkettung unglücklicher Umstände.

Und ich wiederum glaube, dass diese Leute, diese Menschen, die eine Weile in deinem Zug mitfahren dürfen, jeder eine bestimmte Aufgabe hat. Der Zug besteht aus Waggons und Abteilen, es gibt z.B. ein Familienabteil, ein Abteil für Arbeitskollegen, ein Abteil für Freunde usw. Und jeder Mensch begleitet dich so lange wie du es brauchst.

Das klingt etwas egoistisch, ist aber so. Und als ich endlich angefangen habe, zu akzeptieren, dass diese Menschen gehen müssen, wenn sie ihre Aufgabe erfüllt haben, geht es mir besser. Diese Menschen werden halt irgendwo anders jetzt mehr gebraucht als in meinem Leben. Es gibt kaum Menschen, die ein Leben lang bleiben. Sie bleiben immer nur genauso lang wie sie müssen. 

Ich habe es früher immer furchtbar schade gefunden, wenn ich es nicht geschafft habe, einen Kontakt aufrecht zu erhalten. Da war man monatelang, fast täglich zusammen, und dann ändert sich plötzlich dein Umfeld, die Aufgabe für diese Person ist gelöst und sie muss gehen. Man will den Kontakt halten, aber man schafft es nicht. Es wird nie wieder so intensiv sein wie früher, man kann gemeinsam in Erinnerungen schwelgen, aber es wird nie wieder genau so sein. Man kann zwar Kontakt halten über Telefon und Briefe und neumodische Techniken, aber dieser Mensch sitzt halt nicht mehr im Zug neben dir, er musste aussteigen und ist jetzt etwas weiter weg und nicht mehr ganz so nah.

Seitdem ich akzeptiert habe, dass dies aber nicht schlimm ist, ist es viel einfacher geworden. Es ist doch ein tröstlicher Gedanke zu wissen, dass neue Leute kommen werden. Es werden neue Leute im nächsten Bahnhof zu steigen, diese werden mir bei meiner neuen Aufgabe helfen. Es werden genau immer die Leute kommen, die ich brauche.

Ja, auch wenn ich am Anfang die Menschen vielleicht nicht mag, die da in meinen Zug steigen, so werden sie mir helfen. Und wenn sie mir nicht im eigentlichen Sinne helfen und sie im nächsten Bahnhof schon wieder aussteigen, helfen sie mir immerhin meine Geduld zu stärken. Und sie helfen mir zu erkennen, dass ich vielleicht alleine viel stärker bin und alleine etwas schaffe, was ich mir nie zugetraut hätte. Denn man bekommt nur die Aufgaben im Leben, die man auch erfüllen kann.

Fazit: auf der einen Seite sollte man jeden Moment genießen, denn der Zug des Lebens ist immer in Bewegung (auch Stillstand ist eine Form der Bewegung) und es wird nie genau der gleiche Moment genauso wieder kommen. Und auf der anderen Seite sollte man einfach Vertrauen darin haben, dass man genau die richtigen Leute zur Seite gestellt bekommt. Alles im Leben geschieht aus einem bestimmten Grund, auch wenn sich der Sinn erst viel später erschliesst.

Denn alles was mich nicht umbringt, macht mich stärker.

PS: So ihr Lieben, habt ihr auch einen Themenwunsch über den ich schreiben soll? Oder nennt mir 10 Wörter, ich bastele um diese Wörter meinen nächsten Beitrag für euch. Ich freue mich darauf. Bis dahin: Carpe diem!



1 Kommentar:

  1. Und ich bewege mich in meinem Zug hin und her und befinde mich in den unterschiedlichsten spannenden Abteilen, wo ich fast immer jemanden antreffe, mit dem ich mich austauschen kann. Da ist der Speisewagen, der Bücherwagen, der Aussichtswagen und dann nicht zu vergessen der hübsche Schlafwagen, wo ich wieder Kräfte tanken kann und mich verkriechen, wenn ich die Welt aussprerren möchte.

    Ansonsten fühle ich mich manchmal eher wie auf einem Bahnhof, wo Reisende ankommen und abfahren, mal häufiger mal nur einmal und dann der eine oder andere, der sich wie ich auf dem Bahnhof aufhält und einem immer wieder begegnet.

    Ich kann mich nicht so recht entscheiden, ob mein Leben eher wie ein Zug oder eher wie ein Bahnhof ist. Gar nicht so einfach mit den Metaphern.

    AntwortenLöschen