Montag, 3. April 2017

Tappas mit guten Gedanken



Ich war auf einer Lesung. Auf einer Lesung von Gedichten und Sprüchen und Aussagen und Sinntexten. Mit irischer Begleitmusik auf einer Conzertina und irischen Liedern. Und das in einer spanischen Tappasbar.

Kultur im Keller.

Um es vorweg zu nehmen, es war gar nicht so schlecht. Die Atmosphäre war interessant und nach dem Essen fand ich die Musik auch gar nicht mehr so schlimm. Ich habe nicht alle Texte verstanden, aber das Essen war lecker.

Was vorher geschah

Als ich anrief um 2 Karten für mich und meine Freundin zu reservieren, meinte der Wirt mürrisch: "Oh mann, wir haben das Plakat noch gar nicht aufgehangen und es sind schon über 30 Reservierungen." Er grummelte weiter in sein Telefon und ich war sprachlos. Das ist doch sein Umsatz, er sollte sich doch eigentlich freuen. Wir einigten uns auf "na gut, ausnahmsweise reserviere ich Ihnen 2 Karten." Ich fühlte mich unerwünscht und lästig.

Der Anfang

Als wir dann wenige Tage später das Restaurant betraten, wurden wir mit "Sie wollen bestimmt zur Lesung" begrüßt. Okay, wir sehen also aus wie jemand, der zu einer Lesung möchte und anscheinend nicht wie der typische touristige Tappasbarbesucher.

Es ging in den Keller, Treppen um Treppen. Wir kamen in einen dunklen, muffigen Raum, viel zu überhitzt und klein und schlecht beleuchtet.

Die Bestellungen

Im Eintritt inbegriffen war ein Tappasteller, später als Naschteller deklariert. Auf die Frage: "normal oder vegetarisch" wollte meine Freundin wissen, was denn auf dem vegetarischen Teller drauf sei, die Antwort von der Wirtin "das weiß ich doch nicht."

Eine Bedienung, ein sehr junger Mann mit langer Schürze, darunter eine kurze Hose und Turnschuhe, fragte dann nach unseren Getränkewünschen. Meine Freundin wollte eine Maracujaschorle. Er: "was ist denn das? Was alkoholisches? Wir haben hier nur normale Sachen wie Apfelsaft, Orangensaft und Ananassaft." Okay, ich hörte hier zum ersten mal, dass es auch Ananassaft gibt, aber es war anscheinend "normal".

Auftritt des Wirtes

Als ER den Raum betrat, wusste ich sofort ER ist es. Ein sehr beleibter Herr betrat den Raum, zwängte sich trotz seiner Leibesfülle durch die engen Stuhlreihen und verteilte Brot und die leckerste Aioli, die ich je gegessen habe. Eine Dame neben uns wollte gern die Weinkarte haben. ER motzig: "wozu, was wollen Sie denn trinken. Das sind alles spanische Weine, die wir selber importieren, die Namen sagen Ihnen sowieso nix. Damit können Sie nichts anfangen. (Meine Anmerkungen: wozu hat man dann eine Karte?) Sie, etwas beleidigt, ich kann schon Etiketten lesen. Letztlich einigten sie sich auf ein Glas trockenen Rotwein. Als ER ihr das Glas dann später brachte und sie die Frage bejahte ob der Wein schmeckt, sagte ER: "ihr Gesicht hat aber gerade was ganz anderes gesagt." Sie sagte dazu nichts.

Die Zettel

Die Getränke wurden auf den Eintrittskarten vermerkt, da es in dem kleinen Raum aber so eng war, gab der Kellner immer einen Kugelschreiber durch und wir durften uns selbst aufschreiben, was wir bestellt hatten. Man könnte anmerken, dass nicht alles gebracht wurde, was man bestellt hatte, aber es kann auch sein, dass der Raum so klein ist, dass er einfach manche gesagte Worte verschluckt hat.

Das Essen

Mitten im Gedicht während wir alle gespannt lauschten, erschien der Wirt in der Tür, unterbrach das Gedicht und meinte: "wir wären dann mit dem Essen soweit." Das lasse ich mal unkommentiert hier stehen. Das Essen an sich, der "Naschteller" war der Hammer, total lecker und eigentlich nicht gerechtfertigt für den niedrigen Preis.

Auftritt SIE

Mitten in einem anderen Gedicht, nachdem wir die Pause beendet hatten, hatte die Wirtin ihren großen Auftritt. Sie unterbrach zögernd aber bestimmt und verlas ein Kennzeichen. Es traf unsere Musikerin, sie: "was ist mit meinem Auto?" SIE: "nichts, aber nun komm Kind, du hast nichts angestellt. Aber komm." Letztlich ist jemand auf ihr Auto raufgefahren, aber es ist nichts groß weiter passiert.

Die Stimme

Nachdem unsere Musikerin von ihrem kleinen Ausflug aus den Tiefen des urigen und wenn man erst mal drin ist, sehr gemütlichen, Kulturkellers wieder da war, sang sie wieder eines ihrer irischen Lieder. Ich muss schon sagen, dass ich am Anfang dachte, oh nein, bitte fange jetzt nicht an zu singen. Aber es war der Oberhammer, ich starrte (mein Ulrich (siehe Artikel von letzter Woche) wäre stolz auf mich, in die Flammen der Kerzenleuchter. Und ich war gedanklich sofort und total nach Irland versetzt. Es hätte mich wirklich nicht gewundert, wenn wir wirklich plötzlich in einen irischen Pub gewesen wären. Sie sang also einfach nur wundervoll und ich sah die grünen Hügel und fernen Weiten regelrecht vor mir. Auch das Spielen der Conzertina (eine Art kleines Akkordeon) war einfach nur grandios, selbst das "Klappern" mit 2 Löffeln war einfach ein einmaliges Erlebnis, was einen lange in Erinnerung bleibt.

Das Fazit

Es war ein toller und intensiver Abend. Es fühlte sich an wie die Aufnahme in einen geheimen Geheimclub. Und ich würde ihn jederzeit genauso wieder machen. Und ja, ich würde auch wieder in diese Tappasbar gehen. Die sind einfach authentisch, sie sind Leben.

Denn das Leben ist wie eine Tappasplatte, man weiß nie was man bekommt, ob es alles schmeckt und ob man es mag. Aber es ist immer wieder spannend und aufregend und meistens auch lecker ;o)




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